Der Wasserfarbeneffekt nach Pinna

von: Bernd Dörband

Der sogenannte Wasserfarbeneffekt wurde 1987 von Baingio Pinna entdeckt. Seine wahrnehmungspsychologische Bedeutung haben Gavin Brelstaff, Lothar Spillmann und John S. Werner ab 2003 weiter ausgelotet.

Dabei geht es um die Farbgebung von Objektkonturen, die einen Einfluss auf die eingeschlossene oder umliegende Fläche ausstrahlen.

Umgibt man ein Objekt mit einer Doppelkontur aus einer dunkleren und einer helleren Farbe, so scheint sich die hellere Farbe über eine recht große Entfernung über die Fläche hinweg auszubreiten. Liegt die hellere Farbe an der Innenseite der Kontur, so breitet sich ein schwacher, aber deutlicher Farbton in die gesamte innenliegende Fläche aus. Das Objekt scheint zudem erhaben und unscharf abgegrenzt. Liegt die hellere Farbe an der Außenseite, so ist das Innere des Objektes strahlend weiß. Außerdem erscheint es vertieft und scharf konturiert.

Als Beispiel beginnen wir mit einem periodischen Bienenwabenmuster mit einheitlich blauen Konturen. Das Innere der Bienenwaben erscheint hell weiß ohne weitere Modulation.

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Bild 1

Färben wir jetzt jede Bienenwabenkontur jeder zweiten Reihe gelb, so erscheinen uns die gelben Waben auch im Inneren gelblich gefärbt. Dabei haben wir nur die Farbe der Kontur geändert.

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Bild 2

Der Effekt kommt bei welligen Rändern noch viel stärker zur Geltung, wie uns die folgende Originalarbeit von Pinna zeigt. Die Begrenzung des Mittelmeers ist hier zweifarbig in zwei Varianten gezeichnet. Links ist die innere Kontur bräunlich, die äußere lila gefärbt. Im rechten Bild ist es umgekehrt. Verblüffenderweise erscheint uns im linken Bild das Mittelmeer gelblich gefärbt, als wäre es mit Wasserfarben getönt worden. Tatsächlich ist dort nur weißes Papier. Im rechten Bild kehrt sich der Effekt um: das Mittelmeer erscheint eher bläulich, während jetzt das Land gelblich gefärbt erscheint.

OTBild15Bild 3

Eine interessante Variante des Wasserfarbeneffektes hat Akyoshi Kitaoka 2012 beigesteuert. Er hat gelbe und lila Sinuskurven übereinander gemalt – und sonst nichts. Die gelbe Wasserfarbe entlang der gelben Sinuskurven steuert unser Gehirn bei.

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Bild 4

Literaturverweise:

  1. Pinna, B., Brelstaff, G., & Spillmann, L. (2001). Surface color from boundaries: A new `watercolor‘ illusion. Vision Research, 41, 2669–2676
  2. Lingelbach: Die VSAC und ECVP in Alghero, Focus 2012_10, 20-22, Spangemacher-Verlag